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Virtual Cycling

Radrennen im Wohnzimmer

01.03.2020

E-Sport ist in aller Munde. Auch im Radsport gibt es weltweit rund 1,5 Million Nutzer, die auf virtuellen Plattformen ihre Rennen austragen. Ein Sport für die Zukunft oder ein kurzlebiges Phänomen?

Im August 2019 gab die UCI bekannt, dass 2020 die erste UCI Cycling Esports Weltmeisterschaft auf der Plattform des Digitalanbieters Zwift ausgetragen wird. Bei dem Unternehmen handelt es sich um den Marktführer in Sachen Virtual Cycling: Weltweit rund 1,4 Millionen „zwiften“ mittlerweile und verabreden sich zu virtuellen Trainingsrunden oder Rennen. Drei UCI-Weltmeisterkurse, darunter auch der Yorkshire Course von 2019, lassen sich genauso wie diverse Klassiker mit Zwift im heimischen Wohn- oder Trainingszimmer nachfahren. Das Geheimrezept der Plattform: Gaming-Spaß mit richtigem Training verbinden.

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"Virtual Cycling ist kein klassischer E-Sport, sondern physical E-Sport, der körperliche Anstrengungen im herkömmlichen Sinne des Sports erfordert. Aus der verhassten Rolle im Keller für Einzelkämpfer ist auf einmal ein Lifestyle-Produkt geworden, das eine ähnliche Bedeutung wie das Fahrrad selbst besitzt."

- Kai Rapp, Key Account Manager DACH von Zwift

Zwei treibende Faktoren für Zwift sind Nachhaltigkeit und Zugänglichkeit. Die Plattform ist für Menschen jeder Altersgruppe verfügbar. Auch Jugendliche oder ältere Menschen bekommen die einfache Möglichkeit, sich virtuell mit Spitzensportlern zu messen oder neue Strecken auszuprobieren, ohne dabei logistische Kosten zu haben. Das führt zu neuen Möglichkeiten – auch für Radhersteller.

"E-Sport ist für uns weitaus mehr als eine reine neue Ebene im Marketing – wir sind fest davon überzeugt, dass sich diese Art des Sporttreibens perfekt eignet, um noch mehr Menschen mit der ,Passion Fahrrad‘ anzustecken."

Der Koblenzer Radhersteller unterhält seit 2018 als erster großer Name der Branche mit dem ZCC ein eigenes E-Racing-Team. „Wir wollen Vorreiter sein“, bekräftigt Lewandowski und schmunzelt: „Wer Indoor beginnt, wird sicher irgendwann auch mal Outdoor unterwegs sein.“ Und da hätte der Online-Versender durch die digitale Vernetzung die Möglichkeit, Kunden gezielt zu den gewünschten Produkten zu führen. Durch diese Überschneidungen käme es für Canyon auch nicht in Frage, ein reines „Indoor-Bike“ anzubieten: „Das wäre ein Beschnitt der Möglichkeiten.“ Auch andere Hersteller nutzen die Online-Möglichkeiten: So sponsert Specialized beispielsweise das Zwift-Triathlon-Team. Online können sich die Fahrer bei unterschiedlichen Kriterien messen, die Besten werden mit einem neuen Rad sowie diversen Exklusivleistungen wie Windkanaltest, Leistungstest etc. belohnt. Das Ziel: Eine Teilnahme am Ironman Hawaii. 

"Wir ermutigen auch unsere Straßen- und MTB-Teams auf Zwift mitzumachen."

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Zwift ist dabei der unbestrittene Marktführer im Virtual Cycling. Aber auch andere Anbieter drängen auf den Markt. Dazu zählen das spanische Unternehmen Bkool, das sich erst kürzlich von seinem Angebot an Rollentrainern getrennt hat und sich jetzt noch auf Software konzentrieren möchte, die Software-Lösung Road Grand Tours und der Smart-Trainer-Anbieter Tacx. Die Herausforderung für alle ist gleich: Trainingsangebote erstellen, die aus Virtual Cycling mehr machen als ein Wintertraining. Ein Beispiel ist die sogenannte „KISS Super League“, die 2019 erstmalig ausgetragen wurde. Die professionelle Rennserie umfasst mehrere Rennen auf virtuellen Kursen. Hobbyfahrer und Profis aus unterschiedlichen Teams können sich online messen, am Ende wird ein Gesamtsieger ermittelt. Auch stationäre Events sind möglich. Der Radsportverband Hamburg organisierte Ende September mit der Hamburger Virtual Cycling Meisterschaft das erste Event dieser Art in Deutschland. Man betrat dabei absolutes Neuland, wie der Vorsitzende Alexander Böker bestätigt: „Es gab keine Vorlagen zur Orientierung. Man muss checken, wie lang optimalerweise ein Rennen sein muss, so dass es sportlich anspruchsvoll, aber für die Zuschauer nicht zu langweilig ist.“ Dazu brauche man einen passenden Ort, funktionierende Technik, viel Werbung auf allen Kanälen, einen guten Moderator und auch Kleinigkeiten wie Messeinrichtung für Körpergröße und Gewicht. „Und man muss mit den Vorbehalten innerhalb der Vereine und des Verbandes rechnen – für manch alten Hasen sind virtuelle Rennen kein echter Sport und haben mit Radrennen nichts zu tun“, so Böker. E-Sport wird für den Funktionär allerdings in Zukunft ein wichtiger Weg zur Nachwuchsgewinnung, weshalb auch eine eigene Challenge für Kinder zum Ausprobieren stattfand. Verbände haben so die Möglichkeit, ein besseres Scouting zu betreiben und auf junge Talente schneller aufmerksam zu werden. Am Ende kamen rund 40 Fahrer und um die 60 Zuschauer in ein Hamburger Fitnessstudio. Für Böker ein Erfolg und ein erster Schritt.

"Und man muss mit den Vorbehalten innerhalb der Vereine und des Verbandes rechnen – für manch alten Hasen sind virtuelle Rennen kein echter Sport und haben mit Radrennen nichts zu tun."

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Eine dunkle Seite des Radsports kann jedoch auch durch den E-Sport nicht behoben werden: Doping. Sogenanntes E-Doping ist sogar relativ einfach, wie Rapp bestätigt: „Fahrer geben ein falsches Gewicht oder falsche Körpergröße an, kalibrieren ihren Smart-Trainer falsch oder hacken sich in die Bluetooth-Verbindung.“ Doch Betrüger kämen nicht ungestraft davon. Über die Auswertung diverser hinterlegter Daten kann ermittelt werden, was möglich ist und wo betrogen wurde. So geschehen im Fall von Cameron Jeffers. Dem Briten wurde der Titel der Nationalen Meisterschaft in Großbritannien aberkannt, nachdem er des E-Dopings überführt wurde. Er hatte eine hohe Leistung mit Hilfe eines Computerprogramms vorgegaukelt und so bei den virtuellen Meisterschaften ein besseres Rad erhalten. „Im realen Sport gibt es den biologischen Blutpass, im E-Sport wird anhand der vorhandenen Daten die körperliche Entwicklung aufgezeichnet. Spontane Kontrollen, um die korrekten Daten zu erhalten, sind jedoch schwieriger“, so Rapp. In Zusammenarbeit mit der UCI soll in diesem Jahr ein extra Regelwerk für E-Sport erscheinen, um Fair Play und Transparenz zu gewährleisten.

Doch E-Sport ist nicht nur auf die Straße beschränkt, sondern auch immer mehr Mountainbiker rüsten um. Das Steuerungssystem „FutureWorks Steering“ ermöglicht es bei Zwift, Lenkbewegungen auf den Bildschirm zu simulieren. Dafür wird das Smartphone mit eingeschalteter App auf dem Lenker angebracht. Aktuell ist die Technik erst auf einem kurzen MTB-Rundkurs verfügbar, in Zukunft sollen jedoch weitere Mountainbike- und Cyclocross-Trainingsmöglichkeiten folgen. Auch ein 4D-Erlebnis mit einer VR-Brille war laut Rapp bereits Thema: „Dabei war das Fahrerlebnis jedoch so realistisch, dass man in der Kurve vom Rad gefallen ist.“ Ob dieser Gedanke für noch mehr Realismus in Zukunft weitergeführt wird? Alles ist möglich.