55 Millionen Pkw im Jahr 2040 – so lautet die Vision der Bundesregierung im Bundesverkehrswege- und Mobilitätsplan 2040, der im Mai 2023 veröffentlicht wurde. Der Bundesverband eMobilität (BEM) kritisierte diese Ausrichtung der Verkehrspolitik scharf, denn dadurch werde der Ausbau von ÖPNV, Schiene und alternativen Mobilitätskonzepten verpasst. Der BEM erwartet eine „Aktualisierung des Planes für die Inbetrachtnahme technischer Innovationen“ vom Bund. Wie diese Innovationen aussehen könnten, zeigen innovative Hersteller in der Halle 8 der Eurobike, die unter dem Motto „Future of Mobility“ steht. Der BEM ist Kooperationspartner der Eurobike und informiert über neue Mobilitätskonzepte.
LEV als Schnittstelle zwischen E-Bike und Auto
Als ein tragendes Element der Mobilität von morgen gelten Light Electric Vehicles, kurz LEVs. Die Fahrzeuge werden mit einem Elektromotor angetrieben und können bis zu 45 km/h schnell fahren. Das Angebot reicht dabei von fahrradähnlichen Gefährten über Cargobikes und Rollern bis hin zu kleinen Transportern, die eine Leermasse bis zu 600 kg haben dürfen. LEVs werden gerne als das Bindeglied zwischen E-Bike und E-Auto bezeichnet – und ihnen wird, auch aufgrund einer vielen unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten von Personen- bis Lastentransport, ein großes Potenzial vorausgesagt. Denn wenn der Autoanteil in den nächsten Jahren weiter steigen wird, bleiben die Straßen gerade in den Großstädten verstopft, eine Neuverteilung des öffentlichen Raumes für mehr Lebensqualität aus – selbst wenn die Autos elektrifiziert sein sollten. LEVs sind eine Alternative, die es zu ergreifen gilt. Heutige E-Bikes und insbesondere E-Cargobikes werden dabei als die Grundlage gesehen, auf der die aktuelle Entwicklung aufbauen kann.
Vorteile gegenüber E-Bike und Auto
Wichtig dabei: Die bestehenden (und bekannten) Nachteile von Elektrofahrrädern gegenüber Elektroautos sollen bei den LEVs verringert werden. Etwa der Schutz vor Wettereinflüssen und Diebstahl, eine sichere Privatsphäre im Fahrzeug oder die vereinfachte Mitnahme einer oder mehrerer Personen. Ebenso gibt es viele Vorteile gegenüber dem Auto bzw. Transporter. Aufgrund ihrer geringeren Größe nehmen die Fahrzeuge im fließenden und ruhenden Verkehr deutlich weniger Platz weg. Sie schaffen damit Freiräume, die für mehr Lebensqualität sorgen können. Auch bei der Produktion wird im Vergleich zum Pkw weniger Material benötigt, was Ressourcen schont und die Wirtschaftlichkeit fördert. Das trifft insbesondere auf die Batterie zu: Da die Fahrzeuge leichter sind, muss weniger Masse befördert werden, was den Einbau einer leichteren Batterie im Gegensatz zum Pkw ermöglicht. Zudem sind die Fahrzeuge in der Lage emissionsfrei zu fahren und verursachen kein CO2.
Mobilität für alle schaffen
Ein zusätzlicher, nicht zu unterschätzender Anreiz, ist der günstige Preis. Die Kosten bei der Anschaffung liegen weit unter den Preisen eines E-Autos. Das führt dazu, dass die Fahrzeuge beispielsweise für Schüler, Studenten, Auszubildende und Rentner interessant sind, die so auf kurzen Strecken eine Mobilitätsalternative bekommen. Diese kann man noch mit dem ÖPNV kombinieren und ist dabei komfortabel unterwegs, ohne auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein. Einzig eine Fahrerlaubnis der Klasse AM ist erforderlich, die je nach Bundesland im Alter von 15 oder 16 Jahren erworben werden darf. Alles Argumente, die für einen Erfolg der LEVs sprechen.
Alltagstauglichkeit ist das Schlüsselwort
Ein wichtiger Faktor beim Produktdesign ist die Funktion. Alltagstauglichkeit ist das Schlüsselwort. Dabei stehen viele Ideen noch am Anfang: Dank der Digitalisierung können die Fahrzeuge mit einfachen Updates versorgt werden und so im Verkehrsmix entsprechend auch eigenständig unterwegs sein. Dazu kommen Lösungen wie ein kettenloses Antriebssystem, was den Komfort und die Sicherheit erhöhen. Durch den geringen Raumbedarf und die Notwendigkeit eines möglichst klimaneutralen Transports von Gütern und Personen wird für pedalangetriebene Kleinautos und schwere Cargobikes viel Potenzial erwartet – auch in Bezug auf autonomes Fahren. Bei der Produktion kommen Automotiv-Standards zum Einsatz, also beispielsweise eine Rahmenform, die individuell mit unterschiedlichen Modulen je nach Einsatzzweck gestaltet werden kann. Insgesamt können LEVs also einen Beitrag leisten, mehr Menschen aufs Rad zu bekommen.
Infrastruktur schaffen – im Verkehr und beim Laden
Trotz aller Euphorie rund um das Thema gibt es zwei wesentliche Punkte, die noch geklärt werden müssen und beide drehen sich um die Infrastruktur. Im ersten Schritt geht es darum, für die Fahrzeuge die passenden Räume im Verkehrsmix zu finden. Für Radwege sind viele LEVs zu breit. Auf der Fahrbahn zusammen mit dem Autoverkehr sind sie auch innerorts mit einer Geschwindigkeit von 45 km/h zu langsam. Deshalb fordert der BEM eine Anhebung der Geschwindigkeit für LEVs auf maximal 69 km/h. Mobilitätsberater Christoph Neye zieht eine eigene Fahrspur für LEVs in Betracht, deren Ausweisung auf Kosten der vorhandenen Autospuren in Großstädten erfolgen kann.
Ein zweiter Punkt ist die Ladeinfrastruktur. Anders als E-Bikes lassen sich die Akkus von LEVs nicht einfach an der heimischen Steckdose laden, da die Gefährte wie Autos oftmals am Fahrbahnrand oder öffentlichen Parkplätzen geparkt werden. Eine einheitliche Ladeinfrastruktur, vielleicht auch mit einer E-Bike-Ladeinfrastruktur, und ein einheitliches Steckersystem würden dazu beitragen, die Mobilitätslösung LEV weiter voranzubringen. Für beide Punkte gibt es sicherlich bald spannendende Ideen und Ansätze, einige werden sicherlich in Halle 8 während der Eurobike diskutiert.