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mit Isabell Eberlein, Geschäftsführerin Velokonzept

Geschlechterdiversität in der Fahrradindustrie

28.06.2024

Das Rad war (und ist) ein bedeutender Wegbereiter der Emanzipation – die Fahrradindustrie selbst allerdings ist stark männlich geprägt. Warum und wie sich dies ändern sollte, klären wir mit Equality-Antreiberin Isabell Eberlein.

Der Ist-Zustand: Frauen als größte unterrepräsentierte Mehrheit

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Frauen sind im Fahrradsektor noch immer stark unterrepräsentiert, oder wie es Isabell Eberlein – Geschäftsführende Gesellschafterin der Velokonzept GmbH und Initiatorin von (unter anderem) Women in Cycling Germany – formuliert: „Wir sind die größte unterrepräsentierte Mehrheit. In der deutschen Mobilitätswirtschaft gibt es mehr Führungspersonen mit den Vornamen Thomas und Christian als Frauen.“

Die Europäischen Kommission ging im Jahr 2019 davon aus, dass sich europaweit der Anteil der Frauen im Verkehrssektor auf lediglich 22 Prozent beläuft. Genaue Daten für die Fahrradbranche zu finden ist schwer. „Es wäre wirklich wichtig“, erklärt Eberlein, „fundierte Daten zu generieren, auch um in Zukunft die Entwicklung valide nachzeichnen zu können.“

In Großbritannien initiierte die Industrievertretung Bicycle Association das Projekt „Diversity in Cycling“, das den Fahrradsektor in dem Bestreben vereinen soll, sich diverser und inklusiver auszurichten. Neben Verbänden engagieren sich dabei aktiv auch Marken wie Brompton, Cannondale, Schwalbe, Specialized, Trek und Liv/Giant.

Die Umfragen im UK verraten, dass lediglich 8% des Personals in Fahrradläden Frauen sind, Zwar werden die administrativen Aufgaben in der Industrie zu 40% von Frauen erfüllt, aber nur wenige schaffen es in Führungspositionen.

Warum aber sollte man den Status quo hinterfragen? Die UK Studie zeigt schließlich auch, dass gerade einmal 21% der Unternehmen, Frauen als Wachstumsmarkt sehen. Warum sollten sich Hersteller, Handel, Medien, Dienstleister transformieren? Die Antwort der Bicycle Association: „Wir können es uns gar nicht leisten, es nicht zu tun.“

Das Potential: Wachstum und Fachkräfte

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Während die Branche unter den Post-Covid Herausforderungen ächzt, stellen Frauen sowie andere unterrepräsentierte Gruppen ein großes und zugleich stark vernachlässigtes Potential dar. Divers ausgerichtete Unternehmen ­– so weiß man – haben ein breiteres Spektrum an Perspektiven und Wissen, ein Mehr an Verständnis für spezifische Anforderungen und an Innovationskraft.

Vielfalt lohnt sich, da sind sich die Unternehmensberater von Boston Consulting bis McKinsey einig. In der Radindustrie scheint allerdings ein breites Bewusstsein sowohl für die Problemstellung wie für die Potentiale noch nicht gegeben zu sein.

Eine aktuelle, vom ADFC in Auftrag gegebene Studie des Fraunhofer ISI zeigt, dass sich der Radverkehr in Deutschland auf Strecken unter 30 Kilometer bis ins Jahr 2035 verdreifachen könnte. Dafür müssten jedoch auch die Grundvoraussetzungen stimmen. „Und dazu zählt nicht nur die notwendige Infrastruktur, sondern auch die Frage, wer denn den Service stemmen könnte“, merkt Isabell Eberlein an und spielt damit auf den in der Branche so akuten Fachpersonalmangel an.

Weiterhin bestehende Stereotypen, das Fehlen von Vorbildern, Diskriminierung, Lücken im Recruitment sind hier nur einige der Punkte, die Frauen den Weg in die Branche so beschwerlich machen. Und möglicherweise noch bedenklicher: Frauen scheinen sich in der Branche unwohl zu fühlen. Die Studie von British Cycling gibt an, dass 71% der Frauen mit dem Gedanken spielen, die Branche wieder zu verlassen. In der Autoindustrie sind es lediglich 40%.

Gegensteuern: Initiativen, Projekte, Engagement

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Wie aber lässt sich der Frauenanteil in der Industrie ausbauen? „Ich denke, dass die Firmen sich intern transformieren müssen – und das umfasst die gesamte Kultur des Unternehmens“, meint Isabell Eberlein. „Wo und warum fehlen Frauen? Wo sind bereits Frauen im Unternehmen und welche Bedürfnisse haben sie? Wie können wir uns als noch attraktiverer Arbeitgeber positionieren?“

Dazu kommen unterschiedliche Projekte und Organisationen für eine heterogenere Industrie. 2021 etablierte sich die europaweite Initiative Women in Cycling – eine Netzwerk-Plattform und Anlaufstelle für Frauen in der Branche – sowie natürlich für all diejenigen, die auf der Suche nach Expertinnen, Rednerinnen etc. sind.

„Wer behauptet, er findet keine Frau für ein Panel, sollte sich nochmals hinterfragen – oder sich an uns wenden. Wir finden eine Expertin!“

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Dazu entwickeln sich nationale Gruppierungen wie Women in Cycling Switzerland und Women in Cycling Germany. Die Hubs haben sich 2024 gegründet, um die länderspezifischen Herausforderungen, gesetzliche Rahmenbedingungen etc. noch besser angehen zu können und den Austausch in der Muttersprache zu ermöglichen. „Wir sprechen alle Frauen an, die beruflich mit dem Fahrrad zu tun haben, egal ob sie in der kommunalen Radverkehrsplanung, im Fahrradladen oder im Verband arbeiten“, erklärt Eberlein. „Entsprechend sind Schrauberinnen genauso dabei wie Geschäftsführerinnen, Frauen aus der Wissenschaft, dem Tourismus und dem Handel.“ Die Arbeitsgruppen reichen nach nur einem halben Jahr von der kommunalen Verwaltung über Radkultur in Unternehmen bis zu Mentoring-Programmen.

Wer das Thema Gender Diversity im eigenen Unternehmen angehen möchte, wer Fragen und Input hat, kann sich an Isabell Eberlein wenden.

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Isabell Eberlein (36) ist Geschäftsführende Gesellschafterin der Berliner Fahrradagentur Velokonzept GmbH, die unter anderem die Messe VELOBerlin veranstaltet sowie Kommunen und Organisationen berät. Darüber hinaus ist sie im Vorstand von Cycling Industries Europe und Mitgründerin von Women in Cycling sowie Women in Cycling Germany.